Auf was müssen Sie bei Klimaschutzprojekten achten?
28. Februar 2022Mit Klimaschutzprojekten auf dem Weg zur Klimaneutralität
von Nina Piel und Jennifer Knöpfle, Carbon Offset und Green Energy Services ClimatePartner
Für Unternehmen kann der Weg zur Klimaneutralität und ambitioniertem Klimaschutz herausfordernd sein. Selbst wenn die Emissionsquellen identifiziert, Treibhausgasemissionen genau berechnet und erfolgreich Maßnahmen zur Reduzierung umgesetzt sind, bleiben trotzdem Restemissionen, die sich weder reduzieren noch vermeiden lassen.
Während Technologien zur weiteren Emissions-Reduzierung erst noch entwickelt werden müssen, können Unternehmen schon jetzt etwas tun. Eine sofort wirksame Lösung ist der Ausgleich dieser Emissionen. Ein solcher Offset geschieht durch die Unterstützung von anerkannten Klimaschutzprojekten und macht gleichzeitig zusätzliche Reduktionsmöglichkeiten sichtbar.
Was ist eigentlich ein Klimaschutzprojekt?
Klimaschutzprojekte sind zertifizierte und validierte Projektmaßnahmen in den Bereichen Umweltschutz, Energieeffizienz oder Entwicklung erneuerbarer Energien, die zusätzlich Treibhausgasemissionen verringern, vermeiden oder aus der Atmosphäre entfernen. Somit tragen sie zur Eindämmung des Klimawandels bei. Gemäß Artikel 12 des Kyoto-Protokolls können Regierungen und Unternehmen Klimaschutzprojekte finanzieren oder finanziell unterstützen. Mit so einer Unterstützung der Projekte können sie ihre Emissionsminderungsziele erreichen, eine nachhaltige Entwicklung in Entwicklungsländern fördern und die an anderer Stelle in die Atmosphäre gelangten CO2-Emissionen kompensieren.
Klimaschutzprojekte können verschiedene Maßnahmen umfassen. Sie reichen vom Schutz der Ökosysteme, über die Aufforstung neuer oder die Wiederaufforstung geschädigter Flächen bis hin zum Ausbau erneuerbarer Energiequellen.
Und nicht nur das: Sie sind oft auch Initiativen mit sozialer Wirkung und fördern die nachhaltige Entwicklung. So verbessert zum Beispiel die Versorgung mit sauberem Trinkwasser oder die Verteilung von effizienteren Kochherden die Wasser- und Luftqualität. Der Ausbau von Infrastruktur schafft Beschäftigungsmöglichkeiten, ermöglicht Bildung und verbessert die Lebensbedingungen der lokalen Gemeinschaften.
Wasserkraft in Virunga Nationalpark, D.R. Kongo: Durch die Gewinnung nachhaltiger Energie mit einem Laufwasserkraftwerk erhalten etwa 4 Millionen Menschen Zugang zu Elektrizität.
Diese zusätzlichen positiven Effekte sind für uns bei ClimatePartner von besonderer Bedeutung, da langfristige Klimaschutzmaßnahmen Hand in Hand mit nachhaltiger Entwicklung, Wohlstand und Frieden für alle gehen. Deshalb orientieren wir uns an den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) der Vereinten Nationen, wenn wir Klimaschutzprojekte auswählen und entwickeln.
Einen Rahmen schaffen: internationale Standards für Klimaschutzprojekte
Grundlage aller hochwertigen Klimaschutzprojekte sind internationale Standards. Sie bilden den Rahmen für die Projektgestaltung, den Aufbau, die CO2-Bilanzierung und die Überwachung eines Projekts. Anerkannte Standards machen das System der Klimaschutzprojekte und die Projekte selbst belastbar, nachvollziehbar und glaubwürdig.
Im freiwilligen Klimaschutz sind zwei Standards besonders wichtig: der Gold Standard (GS) und der Verified Carbon Standard (VCS). Beide haben ähnliche und strenge Anforderungen, unterscheiden sich aber in ihrem technologischen Schwerpunkt. VCS-Projekte konzentrieren sich vor allem auf Projekte zum Schutz der Wälder (REDD+). Aber auch Projekte zur Aufforstung und Wiederaufforstung sowie Projekte für erneuerbare Energien können dazu zählen. Projekte mit Gold Standard-Zertifizierung hingegen konzentrieren sich auf soziale Entwicklungsprojekte, wie beispielsweise saubere Kochherde, sauberes Trinkwasser, Agroforstwirtschaft, Wiederaufforstung und erneuerbare Energien.
Vier Kriterien, die ein Klimaschutzprojekt ausmachen
Um als Klimaschutzprojekt zu gelten und in den offiziellen Registern zertifiziert zu werden, muss jedes Projekt folgende vier grundlegende Anforderungen erfüllen, die denen des Greenhouse Gas (GHG) Protocol und der International Carbon Reduction and Offset Alliance (ICROA) entnommen sind:
● Zusätzlichkeit
● Ausschluss von Doppelzählungen
● Dauerhaftigkeit
● Regelmäßige unabhängige Prüfungen
Diese Begrifflichkeiten mögen in ihrer Auflistung etwas allgemein aussehen, tragen aber ganz konkret zum Klimaschutz bei.
1 Echter Mehrwert für den Klimaschutz durch Zusätzlichkeit
Die Zusätzlichkeit eines Klimaschutzprojekts ist besonders wichtig. Demnach können Emissionsreduktionen nur dann als zusätzlich geltend gemacht werden, wenn die Projektaktivität laut Greenhouse Gas Protocol „nicht ohnehin stattgefunden hätte“. Ein Projekt gilt dann als zusätzlich, wenn es zu geringeren CO2-Emissionen führt, als es ohne Projekt der Fall gewesen wäre.
Zusätzlichkeit bedeutet auch: ohne Finanzierung durch den Verkauf von Emissionsminderungszertifikaten könnte ein Projekt nicht existieren. Es ist also auf die Einnahmen aus dem Verkauf der Zertifikate angewiesen. Projekte, die wirtschaftlich tragfähig sind und/oder unabhängig von den Einnahmen aus dem Verkauf von Emissionszertifikaten realisiert werden, können nicht als Klimaschutzprojekte registriert werden.
Waldschutz in Pará, Brasilien: Das Projekt vor Ort schützt den Wald und deren ansässige Familien vor kommerzieller Abholzung.
Ein Beispiel: Bestehende Wälder speichern CO2, was zu Emissionsminderungen führt. Wenn Unternehmen nun dabei helfen, dass neue Wälder geschaffen oder bedrohte Waldgebiete geschützt werden, wäre dies ein zusätzlicher Beitrag zum Klimaschutz. Damit ein Projekt dies nachweisen kann, muss der Beitrag zur CO2-Reduzierung eindeutig messbar sein.
2 Doppelzählungen müssen verhindert werden
CO2-Zertifikate können nur einmal verkauft und verbucht werden, z. B. können sie nicht auf dem freiwilligen Markt (voluntary market) und gleichzeitig auf dem verpflichtenden Markt (compliance market) geltend gemacht werden. Um dies zu gewährleisten, erhalten sie eine eindeutige ID. Jede ID steht für eine Tonne reduzierter CO2-Emissionen. Sobald ein Zertifikat verkauft ist, muss es stillgelegt werden. Dieser Vorgang wird in Registern gespeichert. Findet die CO2-Kompensation über ClimatePartner statt, sammeln wir die Zertifikate in unseren TÜV Austria geprüften Tools und legen die Zertifikate still. Dadurch stellen wir sicher, dass jedes Zertifikat nur einmal verwendet werden kann. Ein Verkauf danach ist nicht mehr möglich und eine Doppelzählung wird verhindert.
Doppelzählung kann dann auftreten, wenn ein Projekt in einem Land ist, das am Emissionshandel teilnimmt. Hier kann es passieren, dass der freiwillige Markt und versehentlich auch das Gastland oder ein Zweitkäufer Ansprüche auf dort ausgestellte Emissionsgutschriften geltend machen. So kann ein Projektentwickler beispielsweise ein deutsches Solarkraftwerk, das Ökostrom produziert, nicht als Klimaschutzprojekt deklarieren, weil Strom aus erneuerbaren Energiequellen bereits auf die nationalen Emissionsminderungsziele in Deutschland angerechnet wird. Der Ausschluss von Doppelzählungen ist einer der Gründe dafür, dass es in Deutschland und Europa keine zertifizierten Klimaschutzprojekte gibt, da Industrieländer bereits nationale Minderungsziele – sogenannte Nationally Determined Contributions (NDCs) – haben.
Ein hochaktuelles Thema im Bereich der Klimaschutzprojekte ist die Frage, was passiert, wenn auch Entwicklungs- und Schwellenländer NDCs erhalten, so wie es das Pariser Abkommen vorsieht. Wie lässt sich hier eine Doppelzählung verhindern?
Im Pariser Klimaabkommen regelt Artikel 6.4 die internationale Zusammenarbeit. Er sollte eigentlich seit Anfang 2021 gelten, jedoch sind die Verhandlungen in der Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties – COP) dazu noch nicht abgeschlossen. Die für November 2021 angesetzte COP26 wird mit Spannung erwartet, da eine Entscheidung zu Artikel 6.4 dringend erforderlich ist. Eine Lösung zur Vermeidung von Doppelzählungen wären sogenannte Corresponding Adjustments, also entsprechende Anpassungen.
Hier wird die nationale Emissionsbilanz des Projektlandes beim Verkauf jedes CO2-Zertifikats entsprechend angepasst. Würde beispielsweise ein Klimaschutzprojekt in Brasilien seine Emissionsgutschriften auf dem freiwilligen Markt verkaufen, dann könnte Brasilien diese Emissionseinsparungen nicht zum Erreichen der nationalen Klimaziele nutzen.
3 Langfristige Reduktion von Treibhausgasemissionen durch Dauerhaftigkeit
Die Emissionseinsparungen eines Klimaschutzprojekts müssen dauerhaft sein. Typische Beispiele sind Aufforstungs- und Waldschutzprojekte, da diese eine langfristige Emissionsspeicherung garantieren. Bäume und Böden binden CO2 und tragen so zur Emissionsminderung bei. Mit seinem Wachstum erhöht der Wald die Kapazität zur CO2-Bindung. Projektentwickler müssen daher sicherstellen, dass die Waldflächen dauerhaft erhalten und geschützt werden. Wenn die darin gespeicherten Emissionen wieder freigesetzt werden – zum Beispiel bei einem Waldbrand – erfüllt das Projekt nicht mehr seinen Kompensationszweck.
Was aber, wenn es potenzielle Bedrohungen für das Projektgebiet und seine Emissionseinsparungen gibt? Ein gängiges Mittel, um solchen Risiken zu begegnen, sind Pufferregelungen. In diesem Fall bewerten sie Qualitätsstandards potenzielle Risikoszenarien und legen Puffer fest. Ein Teil der generierten Zertifikate wird dann auf ein zentrales Zertifikatskonto übertragen, das vom Qualitätsstandard verwaltet wird.
4 Verifizierung von Klimaschutzprojekten durch unabhängige Prüfungen
Unabhängige Prüfungen zur Verifizierung der Projektaktivitäten sind ein weiteres entscheidendes Kriterium für Klimaschutzprojekte. Während der Projektentwicklung und -durchführung gibt es verschiedene Phasen, die eine Validierung und Verifizierung erfordern, um international anerkannte Standards wie den Gold Standard oder VCS zu erfüllen:
Wenn ein Klimaschutzprojekt von Projektentwicklern konzipiert wird, erstellen sie ein sogenanntes Project Design Document, kurz PDD. In diesem PDD werden unter anderem die geplanten Projektaktivitäten und der methodische Ansatz beschrieben und die geschätzten Emissionsminderungen basierend auf prognostizierten Daten berechnet. Um zu überprüfen, ob alle in der Projektplanungsphase aufgestellten Annahmen realisierbar und korrekt sind, kontrollieren unabhängige Dritte in einem Validierungsbericht alle zugrunde liegenden Dokumente, Fakten und Zahlen. Diese neutralen Prüfer, z. B. TÜV Nord, bewertet in einem systematischen und dokumentierten Verfahren, ob die Projektaktivitäten die geplanten Ergebnisse erreichen können. Im nächsten Schritt, der Monitoring-Phase, überwacht der Projektentwickler die Projektaktivitäten und sammelt Projektdaten. Nach Abschluss der Monitoring-Phase wird ein Verifizierungsbericht erstellt, um zu beurteilen, ob die angegebenen Ergebnisse eines Projekts korrekt sind. Dazu gehören auch Besuche im Projektgebiet.
Wird beispielsweise ein Kochofenprojekt verifiziert, so wird vor Ort von den unabhängigen Dritten geprüft, ob die Haushalte die Kochherde tatsächlich benutzen und ob kaputte Teile durch das Projekt ersetzt wurden. Dieser Monitoring- und Verifizierungsprozess wird während der Projektlaufzeit regelmäßig alle 1–5 Jahre wiederholt. Dadurch hat das Projektentwickler-Team die Gewissheit, dass sie die gesteckten Ziele erreicht haben.
Saubere Kochöfen in Nyungwe, Ruanda: Durch effizientere Kochöfen können Emissionen sowie die starke Rauchbelastung von Familien im Südwesten Ruandas gesenkt werden.
Zusätzlich zu diesen vier offiziellen Kriterien führt ClimatePartner bei jedem Projekt eine Due-Diligence-Prüfung durch, die auch eine Überprüfung der Partner im Rahmen des KYC-Prozesses (Know your customer) beinhaltet. Sie stellt sicher, dass ein Klimaschutzprojekt den höchsten Qualitätsstandards entspricht. Fünfzehn Jahre Erfahrung auf dem Markt für freiwillige Klimaschutzprojekte haben uns gezeigt, dass die Qualität eines Projekts beim Projektentwickler beginnt. Deshalb arbeiten wir bei ClimatePartner – sofern wir die Projekte nicht selbst entwickeln – nur mit erfahrenen Projektentwicklern zusammen, die wir kennen, denen wir vertrauen und die Experten auf ihrem Gebiet sind.
Der Weg zur Klimaneutralität führt über Klimaschutzprojekte
Klimaschutzprojekte sind ein wichtiges Instrument, um Klimaneutralität zu erreichen. Hochwertige Projekte sind nach einem internationalen Standard wie dem VCS oder dem Gold Standard zertifiziert. Bei allen Standards gilt, dass ein Projekt die vier Anforderungen erfüllen muss, nämlich Zusätzlichkeit, Dauerhaftigkeit, Ausschluss von Doppelzählungen sowie die unabhängige Prüfung.
Solange alternative Energiequellen, nachhaltige Mobilität und neuen Technologien für eine emissionsfreie Zukunft noch in der Entwicklung sind, ist die Unterstützung wirksamer Klimaschutzprojekte eine effektive Maßnahme, die ein Unternehmen sofort ergreifen kann. Es versteht sich jedoch von selbst, dass der CO2-Ausgleich nur zusammen mit Reduktions- und Vermeidungsmaßnahmen zielführend ist.
Es gibt noch viel mehr über Klimaschutzprojekte und Klimaneutralität zu wissen – wir informieren Sie gerne dazu im Rahmen unserer Climate Action Academy und Deep Dive Sessions.