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Ist Homeoffice besser fürs Klima?

27. Oktober 2023
Laptop vor einer Wand mit grünen Blättern

Ist Homeoffice besser fürs Klima?

Homeoffice als neue Realität – das trifft nicht unbedingt für jedes Unternehmen zu. Während das Arbeiten von zu Hause einige Zeit lang aus dem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken war, fordern mittlerweile mehr und mehr Arbeitgeber von ihren Mitarbeiter:innen wieder Präsenz, häufig auch gekoppelt an feste Quoten. Wer im Büro arbeite, sei engagierter, kreativer und bringe sich mehr ein, lauten Zitate von Führungskräften aus weltweiten Unternehmen. Wir möchten das vielschichtige Thema unter dem Aspekt der Klimabilanz beleuchten. Gibt es einen eindeutigen Gewinner in Sachen CO₂-Bilanz? Und wie können Remote- oder hybride Arbeitskultur Teil einer Klimaschutzstrategie für Unternehmen werden?  

Björn Bröskamp, Team Lead Business Development bei ClimatePartner, gibt Einblick in unsere Arbeit bei der Erfassung und Berechnung von Unternehmensemissionen und klärt dabei einige Mythen rund um Büroarbeit und Homeoffice auf.  

Viele Unternehmen suchen aktuell nach ihrer individuellen Arbeitskultur der Zukunft. Der Großteil setzt dabei auf einen Mix aus Homeoffice und Präsenz im Büro. Welche Aspekte gilt es im Hinblick auf die Reduktion der Emissionen zu beachten?  

Das Konzept von Homeoffice oder Telearbeit gibt es nicht erst seit der Corona-Pandemie. Die Bewertung der Emissionsfaktoren des Arbeitsplatzes ist bereits lange vor der Pandemie in die Datenbanken von ClimatePartner zur Berechnung von CO₂-Bilanzen eingeflossen. Seit Corona hat sich der Anteil von Homeoffice gegenüber der klassischen Büropräsenz in vielen Unternehmen aber entscheidend verändert. Das lässt sich auch an den CO₂-Bilanzen ablesen. Die Zahlen der letzten Jahre zeigen: Mit Homeoffice lassen sich die Emissionen einer Firma durchaus reduzieren. Damit dies aber zutreffen kann und die positiven Effekte größer sind als die negativen, muss eine Reihe von Faktoren berücksichtigt werden. Das Thema ist sehr komplex. 

Was genau macht denn die Komplexität dabei aus? Die verrichtete Arbeit bleibt doch im Großen und Ganzen gleich? 

Mit jedem Tag Homeoffice nimmt natürlich ein gewisser Anteil von Emissionstreibern in den Unternehmensbilanzen ab. Beispielsweise Emissionen aus der Anfahrt der Mitarbeitenden, Geschäftsreisen oder Energieverbrauch für das Heizen oder Kühlen der Gebäude. Was jedoch wichtig ist: Diese Emissionen fallen nicht komplett weg, sie verteilen sich nur anders und sind deshalb einem anderen Bilanzrahmen zuzurechnen. 

Zum Teil werden die Emissionen nun von Faktoren beeinflusst, die außerhalb des direkten Einflussbereichs und damit auch außerhalb der Systemgrenzen des Unternehmens liegen. Hierzu zählt zum Beispiel bei den Mitarbeitenden die Energie- und Internetversorgung in ihren jeweiligen Haushalten, der Umgang mit Ressourcen und Abfall und noch viele weitere Themen.  

Wenn Unternehmen ihre externalisierten Emissionen im Blick haben wollen, benötigen sie daher einen aussagekräftigen CO₂-Fußabdruck, der diese abdeckt.  

Welche Faktoren betrachtet ClimatePartner bei der Erstellung von CO₂-Bilanzen im Zusammenhang mit Homeoffice? 

Das Homeoffice liegt außerhalb des Scope 1 & 2-Bilanzierungsrahmens und wird damit nicht zwangsläufig im Rahmen des ClimatePartner Protocols berücksichtigt. Da wir Unternehmen grundsätzlich raten, auch Scope 3 und damit so viele Emissionen wie möglich bei der Berechnung des Fußabdrucks heranzuziehen, empfehlen wir ihnen, auch ihre Homeoffice-Emissionen zu berechnen. Einerseits, um die Reduktion im Vergleich zu vorherigen Jahren analysieren zu können und zum anderen, um aktiv Verantwortung zu übernehmen für die Emissionen, die durch Homeoffice verursacht werden. 

In unserer Berechnungsmethodik orientieren wir uns am aktuellen Branchen- und Wissensstand. Sie umfasst dabei den Stromverbrauch für den Arbeitsplatz, für einen Computer, einen externen Bildschirm, einen Drucker und für ein Handy. Zusätzlich bilanzieren wir die Beleuchtung des Arbeitsplatzes und die Heizung für einen zusätzlichen Raum. Auf Basis dieser Einflüsse ergibt sich ein durchschnittlicher Emissionsfaktor mit der Referenzeinheit: Pro Mitarbeiter:in pro Tag. 

Wesentlich genauere Daten liefert in der Regel die Umfrage eines Unternehmens zu den oben genannten Punkten unter seinen Mitarbeiter:innen. Auf deren Basis lässt sich eine sehr genaue und für das Unternehmen individuelle Berechnung durchführen. 

Ab wann hat das Arbeiten im Homeoffice dann einen positiven Einfluss auf den CO₂-Fußabdruck eines Unternehmens? 

Prinzipiell kann man davon ausgehen, dass Homeoffice die Emissionen eines Unternehmens reduzieren kann. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der große Posten für die Anfahrt der Mitarbeiter:innen wegfällt. Bei Unternehmen, in denen viele Mitarbeiter:innen mit dem Auto zur Arbeit fahren, ist dieser Hebel enorm. 

Kommt allerdings der Großteil der Mitarbeiter:innen zu Fuß oder per Fahrrad zu Arbeit, ist das anders. In diesem Fall kann es dazu führen, dass Emissionen nur aus dem Bilanzierungsrahmen des Unternehmens in den privaten Bilanzierungsrahmen der Mitarbeiter:innen verschoben werden. Bereits umgesetzte Klimaschutzmaßnahmen von Unternehmen wie Ökostrom und nachhaltige Wärmeerzeugung könnten damit ihre Wirkung verlieren, wenn auf privater Ebene keine Klimaschutzmaßnahmen stattfinden und sich dies auch nicht so einfach kontrollieren lässt. 

Um den positiven Einfluss von Homeoffice auf das Klima zu gewährleisten, benötigt es also genaue Policies und Richtlinien für das Arbeiten und den Arbeitsplatz. Es muss mit der Klimaschutzstrategie des Unternehmens und seinen Zielen zur Emissionsreduzierung abgestimmt sein und braucht das Verständnis und die Bereitschaft aller Mitarbeiter:innen.  

Hybride Arbeitsmodelle erfordern nach wie vor eine hohe Anzahl an Video-Konferenzen. Diese standen lange Zeit im Ruf, eine sehr schlechte CO₂-Bilanz zu haben. Gibt es dazu mittlerweile neuere Erkenntnisse?  

Das Thema Bilanz von Video-Calls ist gar nicht so einfach, wie es im ersten Moment scheint. Das hängt von vielen Faktoren ab: Über welche Leitungen werden die Daten übertragen? Welches Endgerät wird genutzt etc. Einige Zeit lang wurde tatsächlich von hohen CO₂-Emissionen ausgegangen. Neuere Zahlen, die beispielsweise vom Fraunhofer IZM und des Ökoinstitut für das deutsche Umweltbundesamt berechnet wurden, sprechen da eine ganz andere Sprache. Demnach verursacht eine Stunde Video-Streaming je nach genutzter Übertragungstechnik rund 2 bis 13 Gramm CO₂-Emission. Für Video-Konferenzen fallen sehr ähnliche Datenmengen an. In meinen Augen macht es aber gar keinen so großen Unterschied mehr, ob wir von zu Hause arbeiten oder im Büro. Video-Konferenzen sind beispielsweise durch eine globale Aufstellung der Unternehmen heute kaum mehr wegzudenken. Insofern fließen sie unabhängig von der Arbeitskultur als wichtiger Bestandteil in die Berechnung des CO₂-Fußabdrucks ein.  

Die meisten der bislang genannten Punkte wie Arbeitsweg, Dienstreisen oder Energieverbrauch haben einen sofortigen, unmittelbaren Einfluss auf die Klimabilanz eines Unternehmens. Gibt es darüber hinaus auch welche, die nicht so schnell wirken? 

Die gibt es durchaus. Zum einen bedeuten weniger genutzte Büros stets auch die Einsparung von Ressourcen. Es wird weniger Wasser und Wärme benötigt, die Bereitstellung von Büromaterial oder die Entsorgung von Abfall wird zurückgefahren. Trotzdem haben wir in den letzten Jahren gesehen, dass Unternehmen ihre Flächen nicht von heute auf morgen reduzieren können. Diese Punkte lassen sich nur mittel- oder langfristig angehen. Ein positiver Nebenaspekt fürs Klima kann unter anderem auch dann entstehen, wenn die durch weniger Dienstreisen und kleinere Bürofläche frei gewordenen Budgets in weitere Klimaschutzmaßnahmen investiert werden. 

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