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Quo vadis Artikel 6 – quo vadis freiwilliger Klimaschutz?

30. November 2023
Eine grüne Weltkugel mit einem Richterhammer im Hintergrund

Quo vadis Artikel 6 – quo vadis freiwilliger Klimaschutz? 

Eine Begrenzung der Klimaerwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius, idealerweise auf 1,5 Grad Celsius – so lautet das langfristige Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens. Dort werden auch die Möglichkeiten für die internationale Zusammenarbeit definiert. Eine Grundlage für zwischenstaatliche Kooperationen beim Klimaschutz bietet unter anderem Artikel 6. Er legt Mechanismen für den internationalen Handel von CO2-Zertifikaten und die länderübergreifende Zusammenarbeit bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen fest. In der konkreten Ausgestaltung des Artikels muss noch viel entschieden werden. Ein Thema, das durch die internationale Zusammenarbeit entsteht und vor allem in der öffentlichen Wahrnehmung immer wieder Fragen aufwirft, ist die Problematik der Doppelzählungen. Forderungen nach einer baldigen Einigung über klare Regeln werden immer lauter. Diskussionen über den Artikel 6 werden deshalb auch auf der COP28 in Dubai von zentraler Bedeutung sein.  

Internationale Zusammenarbeit im Klimaschutz: Verpflichtung aller Länder erhöht den Bedarf an Regularien 

Im Artikel 6 des Pariser Abkommens wurden wichtige Vereinbarungen aus dem Kyoto-Protokoll weiterentwickelt. Im Rahmen des Clean Development Mechanism (Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung, CDM) legte das Kyoto-Protokoll 1997 erstmalig die internationale Zusammenarbeit zum Einsparen von Emissionen fest. Seitdem können Industrieländer ihren Bemühungen zur Emissionsreduktion (auch CO2-Zertifikate) nicht nur im eigenen Land nachkommen, sondern auch, indem sie entsprechende Projekte in anderen Ländern finanzieren. Bis heute werden diese Projekte häufig im Globalen Süden umgesetzt. Die dort nachweislich eingesparten Emissionen werden den eigenen Emissionsreduktionszielen gutgeschrieben. Mit dem Pariser Abkommen 2015 hat sich jedoch der gesamte Kontext dieser Zusammenarbeit verändert: Im Kyoto-Protokoll wurden nur Industrieländer zu verbindlichen Emissionsreduktionszielen angehalten. Entwicklungsländer waren zwar aufgerufen, Maßnahmen zu ergreifen, sie haben sich jedoch keine verbindlichen Reduktionsziele gesetzt. 

Das Pariser Abkommen hat diese Unterscheidung aufgehoben. Alle Vertragsparteien des Pariser Abkommens, unabhängig von ihrem Entwicklungsstatus, sind aufgefordert, nationale Beiträge zur Emissionsminderung vorzulegen und sich freiwillig zu Klimazielen zu verpflichten. Diese nationalen Beiträge werden als Nationally Determined Contributions (NDCs) bezeichnet. Der veränderte Kontext hat Auswirkungen auf die internationale Zusammenarbeit beim Klimaschutz. Seitdem besteht bei Projekten, die unter Artikel 6 entwickelt werden, die Gefahr von Doppelzählungen der Emissionsreduktionen. Dies ist dann der Fall, wenn sowohl das Land, welches das Zertifikat erwirbt, als auch das Land, in dem die Emissionsreduktion stattfindet (Gastgeberland), dieselben Emissionsreduktionen in ihrem Treibhausgasinventar verbuchen. Da der Begriff der Doppelzählung auf dem Kohlenstoffmarkt in verschiedenen Kontexten verwendet wird, werfen wir einen genaueren Blick darauf, was sich hinter dem Begriff verbirgt. Denn nicht alle Definitionen stehen im Kontext zu den aktuellen Debatten über den Artikel 6:  

  • Zum einen geht es beim Begriff der Doppelzählung um die tatsächliche Zählung von Emissionsreduktionen in Klimaschutzprojekten (engl.: double counting). Werden CO2-Zertifikate verkauft, müssen sie in einem öffentlichen Register stillgelegt werden. Nur so lässt sich eine Doppelzählung der Zertifikate vermeiden. International anerkannte, unabhängige Standards führen diese öffentlichen Register und gewährleisten die Stilllegung der Zertifikate.  

  • Zum anderen wird der deutsche Begriff Doppelzählung auch für die doppelte Beanspruchung von Emissionsreduktionen genutzt (engl.: double claiming). Dies ist für die internationale Zusammenarbeit im Klimaschutz von Relevanz. Denn hier geht es darum, dass mehrere Akteure, zum Beispiel das Gastgeberland, in dem das Klimaschutzprojekt durchgeführt wird, und das Land, das die CO2-Zertifikate erwirbt, die Emissionsreduktion für sich beanspruchen. Im Folgenden wird der Begriff der Doppelzählung im Sinne dieser Definition genutzt. 

Es gibt zwar verbindliche Regeln, um die Problematik der Doppelzählungen im Sinne der doppelten Beanspruchung zu entgehen. Bis heute fehlen jedoch die Formalitäten für eine konsequente Umsetzung. Auf der diesjährigen COP in Dubai könnten durch neue Beschlüsse für Artikel 6 entscheidende Weichen für die zukünftige Zusammenarbeit zwischen Vertragsländern bei der Umsetzung der NDCs gestellt werden. Die Entwicklung von klaren und effektiven Regelungen ist entscheidend, um das Vertrauen in den internationalen Kohlenstoffmarkt zu stärken und die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. 

Das Prinzip der Corresponding Adjustments 

Im Pariser Abkommen wurden für den verpflichtenden Markt sogenannte „Corresponding Adjustments" eingeführt, um Doppelzählungen zu vermeiden. Die Idee dahinter: Ein Land, das die Minderung erwirbt, darf sie auf seine Bilanz anrechnen. Das Gastgeberland, das diese Übertragung genehmigt, darf sie dann nicht in seinen eigenen Emissionsreduktionszielen verbuchen und somit auch nicht zur Erfüllung seiner eigenen NDCs (Nationally Determined Contribution) verwenden. Über die Formalitäten zur Umsetzung besteht jedoch bis heute keine Einigung. Wie eine konkrete Ausgestaltung von Corresponding Adjustments der steigenden Komplexität aus staatlichen und nichtstaatlichen Minderungszielen mit unterschiedlichen Zeithorizonten und Verbindlichkeiten gerecht werden können und wie sie für den freiwilligen Markt als Best Practice dienen können, wird voraussichtlich auf der COP28 diskutiert werden.

Die Auswirkungen auf den freiwilligen CO2-Markt  

Auch im Zusammenhang mit dem Voluntary Carbon Market (VCM, freiwilliger CO2-Markt) und somit dem freiwilligen Erwerb von Emissionsreduktionen (Verified Emission Reductions, VERs) durch nicht-staatliche Akteure, wie Unternehmen, steht immer wieder die Frage einer doppelten Beanspruchung im Raum. Dies sei der Fall, wenn dieselben Emissionsreduktionen auf das nationale Reduktionsziel des Gastgeberlandes angerechnet werden und gleichzeitig auch der nicht-staatliche Erwerber der VERs diese zum Ausgleich der eigenen Emissionen verwendet. Hierbei gilt festzuhalten, dass es sich bei Ersterem um die Erreichung von staatlichen Klimazielen handelt. Wohingegen sich Zweiteres auf die freiwillige Zielsetzung von Unternehmen bezieht, die nicht-reduzierbaren Emissionen der eigenen Wertschöpfungskette Tonne für Tonne auszugleichen – dies hat jedoch keinerlei Einfluss auf die Emissionsreduktionsziele des Landes, in dem das Unternehmen tätig ist, und ist somit unabhängig von staatlichen Klimazielen. Auch wenn Artikel 6 für den VCM nicht bindend ist, werden mit Blick auf die anstehenden Diskussionen auf der COP28 auch abgeleitete Richtlinien für den VCM und somit das freiwillige Klimaschutzengagement von Unternehmen erwartet. Im Fokus der Debatten rund um die Ausgestaltung des freiwilligen Marktes steht demnach die Frage, inwiefern Gastgeberländer auch dann oben erläuterte Corresponding Adjustments durchführen müssen, wenn Emissionsreduktionen, die in diesen Staaten generiert werden, auf dem VCM transferiert und somit von nicht-staatlichen Akteuren genutzt werden. 

Ein neues Narrativ als Alternative: Contribution Claims  

Der Markt für das freiwillige Klimaschutzengagement von Unternehmen befindet sich derzeit im Umbruch. Lag der Fokus bisher auf der Zielsetzung, die eigene Klimaneutralität zu erreichen, suchen Unternehmen nun nach Alternativen zu diesem Konzept. Eine Lösung als Ergänzung zu CO2-Reduktionen bieten sogenannte „Contribution Claims“. Mit dem Narrativ der Contribution Claims können Unternehmen den Fokus für ihr Klimaschutzengagement neu setzen und so ihren Beitrag zur Erreichung der globalen Klimaziele über die eigene Wertschöpfungskette hinaus zum Ausdruck bringen. Eine Finanzierung in Klimaschutzprojekte ist dabei nicht immer direkt mit dem CO2-Fußabdruck eines Unternehmens verbunden. Im Fokus steht somit nicht länger der Ausgleich der eigenen Restemissionen, um die Gesamtemissionen so bilanziell „neutral” zu stellen. Vielmehr unterstützen Unternehmen mit den neuen Ansätzen proaktiv die Gastgeberländer bei der Erreichung ihrer Klimaziele. Der Vorteil: Die oben erläuterte Problematik der Doppelzählungen im Sinne von doppelter Beanspruchung kommt dabei nicht zum Tragen. Erfahren Sie im Meinungsbeitrag von Robin Stoffers, Managing Director von ClimatePartner Impact, mehr zu den möglichen Ansätzen von Contribution Claims. 

 

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