Wie trägt die ökologische Landwirtschaft zum Klimaschutz bei?
12. Mai 2023Von Nadja Steinbach
Die Land-, Forstwirtschaft und andere Landnutzungsformen verursachen laut dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) etwa 23 % der anthropogenen Netto-Treibhausgasemissionen. In der Landwirtschaft gibt es zahlreiche Ansätze wie Klimaschutz in der Lebensmittelproduktion umgesetzt werden kann. Von Permakultur, Agroforst, Agroecology hin zu regenerativer Landwirtschaft und dem Biolandbau.
Immer wieder wird über die schlechtere CO2-Bilanz von ökologischen gegenüber konventionellen Erzeugnissen diskutiert. Selten werden jedoch in dieser Diskussion auch die Folgen der Bewirtschaftungsweisen und damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Leistungen, wie soziale, Umwelt- und Klimaleistungen fernab von CO2-Kennzahlen berücksichtigt. Dieser Climate Action Insights Artikel beleuchtet diese Aspekte und erläutert, welchen Beitrag ökologische Landwirtschaft zum Klimaschutz leistet.
Klimaschutz auf Betriebsebene
Rein auf die CO2-Bilanz von Produkten zu achten ist in diesem Bereich zu kurz gedacht, denn Landwirtschaft ist ein System, das als Ganzes betrachtet werden muss. Wenn nur einzelne Kennzahlen berücksichtigt werden, kann das in Bezug auf Klima – und Umweltschutz sogar zu falschen Rückschlüssen führen. Wird beispielsweise nur die CO2-Bilanz eines Produkts berechnet - die im Ökolandbau höher ausfallen kann als im konventionellen, da weniger Ertrag pro Fläche erzielt wird – so werden Umweltleistungen, wie die Erhaltung von Kohlenstoff im Boden, Förderung der Biodiversität, Wasser und Bodenschutz nicht berücksichtigt. Somit sind die Aussagen, die über das Produkt getroffen werden, nicht vollständig oder zielführend. Um ein ganzheitlicheres Bild zu bekommen ist es deshalb wichtig, sich vor allem auf die Betriebsebene zu fokussieren.
Nach wie vor fehlen in der Landwirtschaft brauchbare Sekundärdaten, was die Berechnung von Kennzahlen erschwert. Die Gegebenheiten vor Ort sind oft sehr unterschiedlich, sodass eine größere und geographisch kleinteiligere Menge an Datensätzen benötigt wird als in anderen Branchen.
Bessere Treibhausgasbilanz – weniger Umweltfolgekosten
Die TU München hat nun die Umwelt- und Klimawirkungen des ökologischen Landbaus in einer Studie untersucht, zusammengefasst und interessante Ergebnisse herausgefunden. Dafür wurden die Untersuchungsergebnisse auf Betriebsebene von insgesamt 80 Pilotbetrieben – 40 ökologisch und 40 konventionell wirtschaftend – verglichen.
Eines der wichtigsten Ergebnisse der Studie ist, dass aufgrund der guten Stickstoff- und Treibhausgasbilanz auf Ökobetrieben je Hektar 750 bis 800 Euro an Umweltfolgekosten für die Gesellschaft eingespart werden können. Umweltfolgekosten sind Kosten, die ein Produkt oder Service verursacht, aber an anderer Stelle entstehen, wie bei der Aufbereitung von Trinkwasser, das durch Düngemittel belastet ist. Getragen werden diese Kosten (auch externalisierte Kosten genannt) von der Allgemeinheit in Form von Steuern.
Bei einer gesamten ökologischen Anbaufläche von 1,8 Millionen Hektar wie im Jahr 2021, beträgt die Einsparung in Deutschland insgesamt 1,5 Milliarden Euro. Bei einem Ökoflächenanteil von 30 %, wie er für 2030 im Green Deal der EU anvisiert ist, würden die Einsparungen auf vier Milliarden Euro steigen.
Ökosystemleistungen der biologischen Landwirtschaft
Den Umweltfolgekosten der Landwirtschaft liegt ein komplexes System aus verschiedenen Faktoren zu Grunde. Wichtige Bereiche, die durch die Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion beeinflusst werden, sind Wasser, Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität, Klimaschutz und Anpassung.
Der ökologische Landbau hat ein hohes Potenzial zum Schutz von Grund- und Oberflächenwasser, insbesondere vor Einträgen von Nitrat und Pflanzenschutzmitteln. Zudem führt eine biologische Bewirtschaftung zu hoher Bodenfruchtbarkeit. Die Anzahl an Regenwürmern ist hoch und die Böden sind wenig verdichtet. So kann auch Wasser besser in den Boden geleitet werden und es treten weniger Überschwemmungen und Bodenerosion auf. Im Bereich Klimaanpassung zeigen sich vor allem im Erosions- und Hochwasserschutz deutliche Vorteile. So ist der organische Kohlenstoff im Boden (Corg-Gehalt), die Aggregatstabilität und Wasserinfiltration höher. Es gibt weniger Bodenabtragung und der Oberflächenabfluss ist verringert. Ökologisch bewirtschaftete Böden weisen zudem einen um 10 % höheren Gehalt an organischem Bodenkohlenstoff und eine höhere jährliche Kohlenstoffspeicherungsrate auf. Die Lachgasemissionen der Böden sind um 24 % niedriger. Dies führt zu einer kumulierten Klimaschutzleistung des ökologischen Landbaus von 1.082 kg CO2-Äquivalenten pro Hektar und Jahr.
Auch auf die Biodiversität hat die ökologische Landwirtschaft einen sehr positiven Einfluss. Die Arten der Ackerflora bei ökologischer Bewirtschaftung liegen um 95 %, bei der Acker-Samenbank um 61 % und der Saumvegetation um 21 % höher verglichen mit den konventionellen Betrieben der Studie. Bei Feldvögeln waren die Artenzahl um 35 %, bei Insekten um 23 % höher. Wichtig ist hier allerdings nicht nur die Art der Bewirtschaftung, sondern auch die Landschaftsstruktur.
Umwelt- und Klimaleistungen sparen Kosten ein und erhalten wirtschaftlichen Nutzen der Natur
Durch die vielseitigen Umwelt- und Klimaleistungen des ökologischen Landbaus werden gesellschaftliche Schadenskosten minimiert, wie verminderte Kosten für die Trinkwasseraufbereitung. Zusätzlich wird der wirtschaftliche Nutzen der Natur, beispielsweise der Wert der Bestäubungsleistung durch Insekten, erhalten.
Es gibt bisher nur wenige Studien, die Leistungen des Ökolandbaus umfassend analysiert und ökonomisch bewertet haben. Negative Umweltwirkungen sind im konventionellen Landbau jedoch höher als im ökologischen Landbau. Dennoch werden die gesellschaftlichen Leistungen des ökologischen Landbaus nicht monetär honoriert. Umweltleistungen gehen also nicht mit öffentlichen Zahlungen einher. In Österreich belaufen sich die Kosten landwirtschaftlicher Externalitäten auf 1,3 Mrd. € pro Jahr. Durch eine Umstellung auf 100 % ökologischen Landbau würden diese Kosten um mindestens ein Drittel sinken und es könnten dort 425 Mio. € pro Jahr eingespart werden.
Klimaneutrale Ernährungssysteme bis 2050
Auch die Landwirtschaft muss dazu beitragen, das politische Ziel zu erreichen und Europa bis 2050 klimaneutral umzubauen (EU 2020). Der ökologische Landbau hat den Anspruch, nachhaltig zu wirtschaften und seinen Beitrag zu dieser Politik zu leisten. Bislang ist aber auch der ökologische Landbau nicht klimaneutral. Allein durch Produktionsoptimierungen, wie Fütterungsoptimierungen, Biogasproduktion aus Wirtschaftsdünger und Zwischenfruchtanbau ist eine Klimaneutralität nicht möglich. Um eine ausgeglichene Emissionsbilanz zu erreichen, müssen landwirtschaftliche Betriebe zusätzlich Kohlenstoffsenken, wie Agroforst oder die Wiedervernässung von Mooren integrieren. Aufgrund biologischer Gesetzmäßigkeiten ist jedoch davon auszugehen, dass THG-Emissionen in Agrarökosystemen nicht vollständig vermeidbar sind. Trotzdem stellt die Land- und Ernährungswirtschaft einen sehr großen Hebel im Klimaschutz dar.
Negativemissionstechnologien wie Aufforstung und Wiederaufforstung, Pflanzenkohle und Biomasse-Pyrolyse sowie der Aufbau bodenorganischer Substanz lassen sich kurz- und mittelfristig umsetzen. Sie speichern Kohlenstoff, sind kosteneffizient und haben positive Auswirkungen auf die Ökosysteme. Die ökologische Landwirtschaft kann so entscheidend zur Lösung von Umweltproblemen beitragen, wie zur Reduzierung der Stickstoffsalden und der damit verbundenen umwelt- und klimarelevanten Emissionen.
Die Umwelt- und Klimaschutzleistungen der biologischen Landwirtschaft müssen dennoch weiter ausgebaut werden. Hierfür muss das Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement entlang der gesamten Wertschöpfungskette verbessert, die Grundlagen des Ökolandbaus konsequent umgesetzt und die Ertragslücke zum konventionellen Landbau reduziert und langfristig weitgehend geschlossen werden.
Systeme dürfen voneinander lernen
Auch im konventionellen Landbau gibt es zahlreiche Ansätze zur Verbesserung der Umwelt- und Klimaschutzleistungen, die konsequent genutzt werden sollten. Hierzu zählen:
- Erhöhung der Stickstoffeffizienz und Minderung umweltrelevanter Stickstoffemissionen
- Reintegration und Flächenbindung der Tierhaltung, um regional und betrieblich hohe Gülle- und Nährstoffüberschüsse schrittweise abzubauen
- Nutzung digitaler Techniken (Precision Farming)
- Anwendung von Düngerapplikationsverfahren mit geringem N-Verlustpotenzial
- Einsatz von Urease- und Nitrifikationsinhibitoren, um Ammoniak- und Lachgasverluste zu senken
Vorteile des ökologischen und konventionellen Landbaus können kombiniert werden, um besonders nachhaltige Produktionssysteme zu schaffen. Praktiken des ökologischen Landbaus, wie betriebliches Humusmanagement oder artenreiche Fruchtfolgen mit Körner- und Futterleguminosen, können auch im konventionellen Landbau wieder an Bedeutung gewinnen, sodass die damit verbundenen positiven Umwelt- und Klimawirkungen (Erosionsschutz, Stickstofffixierung, Humusaufbau und CO2-Sequestrierung) auch hier stärker zum Tragen kommen. Anderseits könnte der ökologische Landbau die vor allem für konventionelle Systeme entwickelten Precision-Farming- Technologien, wie sensor- und satellitengestützten Ertragserfassung oder digitale Humus- und Nährstoffmanagementsysteme anpassen und stärker nutzen. In Scope 3 können sowohl die ökologische als auch die konventionelle Landwirtschaft auf Investitionsgüter setzen, die fossile Energie einsparen.
Kohlenstoffsenken bieten enormes Potenzial
Die Landwirtschaft und damit unsere Ernährungssysteme sind und werden stark von den Folgen des Klimawandels betroffen sein. Dürren, Überschwemmungen und Temperaturveränderungen treten immer häufiger auf. Umso mehr sollte das Potenzial dieses Sektors genutzt werden, um praktischen Klimaschutz umzusetzen, damit Treibhausgasemissionen einzusparen und Kohlenstoffsenken zu schaffen.
Kommen Sie aus der Ernährungsbranche und möchten Klimaschutz auch in Ihrem Unternehmen umsetzen? Dann melden Sie sich bei uns. Gemeinsam setzen wir Klimaschutz in die Tat um.