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Good COP, bad COP

27. Oktober 2023
Vier Würfel. Der erste zeigt "good/bad", und wird von einem Finger auf der Kippe zwischen den Wörtern gehalten. Die anderen drei zeigen die Buchstaben C, O und P.

Good COP, bad COP 

Die UN-Klimakonferenz, auch als COP (Conference of the Parties) bekannt, hat eine bewegte Geschichte, die bis zur Entstehung der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) 1992 zurückreicht. Jahr für Jahr kommen Delegierte aus allen Teilen der Welt zusammen, um über Strategien und Maßnahmen zur Reduzierung der globalen Erwärmung zu diskutieren. 

Nationen, die oft unterschiedliche Interessen vertreten, kommen zusammen, um die drängendsten Umweltfragen unserer Zeit zu behandeln. In der Vergangenheit ist die COP in die Kritik geraten: Langwierige Verhandlungen und wenig zielführende Kompromisse seien das Ergebnis der Konferenz. Oftmals wird auch ihre Sinnhaftigkeit in Frage gestellt, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die globalen CO₂-Emissionen seit Beginn der COPs im Jahr 1995 stetig angestiegen sind. 

In diesem Jahr wirft der Austragungsort zusätzlich einige Fragen auf. Kann eine Stadt in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die für ihren Reichtum aus der Öl- und Gasindustrie bekannt ist, wirklich ein ernsthafter Akteur im Klimaschutz sein? Lena Koch, Spezialistin für Market Development und Innovation bei ClimatePartner, geht dieser Frage auf den Grund. 

Dubai, die Stadt der Superlative, erregt Aufmerksamkeit – nicht nur wegen ihrer glitzernden Wolkenkratzer und Luxushotels, sondern auch aufgrund ihrer Ambitionen im Bereich erneuerbarer Energien. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben ehrgeizige Pläne zur Reduzierung ihrer Emissionen und zum Ausbau von erneuerbaren Energien angekündigt. Die Metropole am Rande der Wüste setzt verstärkt auf Solar- und Windenergie und beherbergt die weltweit größte Solarenergieanlage. 

Gleichzeitig hat das Gastgeberland den CEO der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) Sultan Al-Jaber zum Präsidenten der diesjährigen COP28 ernannt. Die Emissionen der ADNOC sind größer als von beispielsweise Mineralöl-Gigant ExxonMobil. Es besteht ohne Zweifel ein Interessenskonflikt und die Wahl des COP-Präsidenten wirft Fragen bezüglich der Intentionen des Gastgeberlandes auf.  

Wie Al Gore sehr diplomatisch ausdrückte: „So this is the person in charge of the COP? He’s a nice guy. He’s a smart guy. But a conflict of interest is a conflict of interest.” 

In den vergangenen Jahren stieg die Anzahl von Vertreter:innen der Öl- und Gasindustrie bei der COP von Jahr zu Jahr an.  Im letzten Jahr übertraf deren Anzahl sogar die der Vertreter:innen aus den zehn am stärksten vom Klimawandel betroffenen Ländern zusammen. 

Dieser direkte Kontakt mit Vertreter:innen der betroffenen Länder ist einerseits enorm wichtig, damit sich der Sektor nicht aus seiner Verantwortung stiehlt. Ganze 75 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen werden durch fossile Brennstoffe verursacht und nicht umsonst nennt der UN-Generalsekretär die Öl- und Gasindustrie das “verschmutzte Herz der Klimakrise”. Andererseits schwingt hier ganz eindeutig und nicht zu leugnen der Vorwurf des Lobbyismus mit. Bereits im Mai dieses Jahres forderten die Parlamentarier:innen des US-Kongresses und des EU-Parlaments in einem Brief an UN-Generalsekretär António Guterres, US-Präsident Joe Biden und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, Sultan Al-Jaber als Vorsitzenden auszutauschen. Zudem brechen Forderungen nicht ab, den Einfluss von Kohle-, Öl- und Gaslobbyist:innen auf die Klimapolitik einzudämmen.  

Es ist essentiell, dass sich der Sektor seiner Verantwortung stellt und sich an der Findung von Lösungen beteiligt. Leere Versprechungen blenden nur und bringen Klimaschutz kein Stück voran. ADNOC beispielsweise plant eine Expansion, die ihre Emissionen bis 2030 um 40 Prozent erhöhen wird. Gleichzeitig betont COP28-Präsident und ADNOC CEO Al-Jaber, dass die globalen Emissionen im gleichen Zeitraum um 43 Prozent sinken müssen. Diese klaren Widersprüche werfen berechtigte Fragen zur Sinnhaftigkeit und den Erfolgsaussichten der COP28 auf. 

Bringt die COP also überhaupt etwas? 

Trotz aller berechtigter Kritik ist die COP die einzige Gelegenheit, bei der alle Länder gemeinsam an konkreten Lösungen zur Bewältigung der Klimakrise arbeiten können. Jeder kleinste Schritt in die richtige Richtung ist entscheidend!  

Die Dringlichkeit des Klimawandels erfordert gemeinsame Anstrengungen. Wenn wir das Ziel der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad erreichen wollen, bleibt keine Zeit mehr. 

Neben der starken Vertretung der Öl- und Gasindustrie, ist auf der COP aber glücklicherweise auch eine Vielfalt anderer Interessensgruppen vertreten. Teilnehmer:innen aus Entwicklungsländern, indigenen Völkern und der Zivilgesellschaft beteiligen sich aktiv an den Verhandlungen, organisieren Veranstaltungen oder demonstrieren auf dem COP-Gelände.  Diese Vielfalt ist entscheidend, da die am stärksten Betroffenen eine Stimme verdienen. Die Interessenvertretung von Entwicklungsländern und indigenen Gemeinschaften auf der COP28 ist notwendig, um alle Perspektiven in den Dialog einzubeziehen. 

Denn auch dieses Jahr stehen erneut drängende Themen auf der Agenda. Ein wichtiger Verhandlungspunkt wird erneut der sogenannte „Loss and Damage Fund“. 

„Loss and Damage“ bezeichnet die unvermeidbaren, negativen Auswirkungen des Klimawandels, die nicht mehr durch Anpassungsmaßnahmen vermieden oder abgemildert werden können. Dies umfasst extreme Wetterereignisse wie Stürme, Überschwemmungen, Dürren und den Anstieg des Meeresspiegels, die zu schweren Schäden und Verlusten führen können. In den Klimaverhandlungen fordern von Klimawandelschäden besonders betroffene Länder, insbesondere Entwicklungsländer, schon lange finanzielle Unterstützung und technische Hilfe von den Industrieländern, um mit den Konsequenzen des Klimawandels umgehen zu können. 

Ein großer Durchbruch war daher der Beschluss auf der COP27 im letzten Jahr, einen „Loss and Damage Fund“ (also einen „Fond für Schäden und Verluste“) für Klimafolgeschäden in Entwicklungsländern einzurichten. Doch einige Fragen sind noch offen. Wer zahlt wem wieviel, und wie? In diesem Jahr in Dubai geht es nun darum, diese Details zu klären. 

Zudem wird erstmals seit Inkrafttreten des Pariser Abkommens der erste sogenannte „Global Stocktake“ besprochen. Der UN Global Stocktake (GST) Synthesebericht, der am 8. September 2023 veröffentlicht wurde, ist das Ergebnis einer zweijährigen umfassenden Bewertung des Fortschritts bei der Umsetzung der Ziele des Pariser Abkommens.  

Der Report ist ernüchternd: Vom 1,5 Grad Ziel des Pariser Abkommens sind wir derzeit weit entfernt, um ganze 43 Prozent müssen die globalen Treibhausgasemissionen bis 2030 sinken, bis 2035 sogar um 60 Prozent. In Reaktion auf die Veröffentlichung des Reports appellierte der COP28-Präsident an Regierungen sowie den Privatsektor, mit konkreten Maßnahmen auf der Konferenz zu erscheinen. 

Tatsächlich wird im Synthesebericht auch die Rolle von Finanzströmen aus der Privatwirtschaft hervorgehoben. So müssten auch private Investitionen in emissionsarme und -freie Aktivitäten und Technologien drastisch erhöht werden. 

Die explizite Nennung des Privatsektors und seiner Rolle im internationalen Klimaschutz ist erfreulich, insbesondere in Bezug auf den Voluntary Carbon Market (VCM). Der Beitrag des freiwilligen Marktes zum globalen Klimaschutz und der Förderung nachhaltiger Entwicklungen wurde in den bisherigen Klimakonferenzen weitgehend außer Acht gelassen. In diesem Jahr steht er sogar auf der offiziellen Agenda: Unter dem Titel “Unlocking VCMs” soll auf der COP28 gemeinsam nach Möglichkeiten gesucht werden, den freiwilligen Markt zu stärken und auszubauen. Diese Anerkennung sendet ein klares Signal an Unternehmen: Die finanzielle Unterstützung von Klimaschutzprojekten außerhalb der eigenen Wertschöpfungskette – immer im Zusatz zu internen Reduktionmaßnahmen – ist wichtig und richtig.  

Der erste Global Stocktake hat gezeigt: Die Zeit läuft uns davon. Wir brauchen drastische Emissionsreduktionen weltweit, und zwar so schnell wie möglich. Ob die ernüchternden Ergebnisse ambitioniertere Ziele und Fortschritte bei den diesjährigen Verhandlungen nach sich ziehen, bleibt abzuwarten.  

Es steht also viel auf dem Spiel. Perfekt ist der COP-Prozess sicherlich nicht, dennoch ist sie unverzichtbar. Angesichts der Dringlichkeit des Klimawandels und der globalen Herausforderungen braucht es die COP als Ort, an dem alle Länder gemeinsam an Lösungen arbeiten können. Jeder kleine Schritt in Richtung Klimaschutz ist von entscheidender Bedeutung, und die Teilnahme einer Vielzahl von Akteuren, einschließlich Entwicklungsländern, indigener Gemeinschaften und der Zivilgesellschaft, ist unerlässlich für eine klimagerechte Zukunft.  

 

Anmerkung der Redaktion:  

Die aktuellen, politischen Entwicklungen und der Krieg im Nahen Osten führen derzeit zu weiteren Bedenken am Austragungsort der COP. In diesem Fall steht die Sorge im Mittelpunkt, ob die Sicherheit der internationalen Teilnehmer:innen unter den aktuellen Entwicklungen tatsächlich gewährleistet werden kann. Da ClimatePartner zu diesem politischen Thema keine Stellung bezieht, wird dieser Aspekt im Meinungsbeitrag ausgeklammert.  

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