Klimaschutzprojekte: Mit gebündelten Kräften zum Ziel
16. August 2023Klimaschutzprojekte: Mit gebündelten Kräften zum Ziel
72.843 Hektar dichter Regenwald in Brasilien – das Gebiet im Bundesstaat Rondônia dient als Hüter der biologischen Vielfalt der Region und ist eines unter vielen Projekten, mit dessen Finanzierung Unternehmen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Doch geht die Rechnung auf? Nicht selten wird Kritik laut, es handle sich um ‚Greenwashing‘ oder einen ‚Ablasshandel‘. Die Vorwürfe dahinter beziehen sich vor allem auf Strategien, in denen sich Unternehmen einzig auf einen finanziellen Beitrag zum Klimaschutz fokussieren und nicht daran arbeiten, eigene Emissionen zu reduzieren. Dass diese Herangehensweise verbesserungswürdig ist, wurde längst erkannt. Sowohl der wissenschaftliche Diskurs als auch die Weiterentwicklung von Lösungen für das freiwillige Klimaschutzengagement von Unternehmen spiegeln, dass sich viel getan hat und dem Entwicklungsbedarf bereits Rechnung getragen wurde. In Konsequenz hat das Thema jedoch auch an Komplexität gewonnen. Deshalb geben wir Einblicke in das Thema und beantworten dabei unter anderem folgende Fragen:
- Gerechtfertigt oder nicht? Was ist dran an der Kritik von Klimaschutzprojekten?
- Welchen Beitrag leisten Klimaschutzprojekte zum 1,5-Grad-Ziel?
- Wie können wir die Wirksamkeit von Klimaschutzprojekten nachweisen?
- Welche Schritte sind notwendig, um den Klimaschutz mit Geschwindigkeit voranzubringen?
Für den Schutz unseres Klimas sind wir noch immer auf das freiwillige Engagement von Unternehmen angewiesen. Selbst im Rahmen des Pariser Abkommens wurden nun erstmalig auch nicht-staatliche Akteure dazu aufgerufen, sich an der internationalen Klimafinanzierung zu beteiligen, um das 1,5-Grad-Ziel überhaupt erreichen zu können. Das freiwillige Handeln im Klimaschutz von Unternehmen ist also unerlässlich. Doch in letzter Zeit wurden genau diese freiwilligen Handlungen von Unternehmen vor allem dem Vorwurf des Greenwashings ausgesetzt. „Diese Vorwürfe dürfen jedoch nicht dazu führen, dass Unternehmen ihre Maßnahmen stoppen. Denn ‚Nichtstun‘ kann auf keinen Fall eine Alternative sein“, sagt Moritz Lehmkuhl, Gründer und CEO von ClimatePartner.
Hand in Hand: Nur eine ganzheitliche Klimaschutzstrategie bringt die erforderliche Geschwindigkeit
Einen finanziellen Beitrag zum Klimaschutz leisten und weitermachen wie bisher? Längst wurde erkannt, dass dies nicht ausreicht. Die Reduktion von Emissionen hat deshalb an Bedeutung gewonnen und ist daher wichtiger Bestandteil ganzheitlicher Klimaschutzstrategien. So ist die Reduktion von Emissionen seit April 2023 auch bei ClimatePartner ein verpflichtendes Kriterium für den Erhalt des Labels ‚ClimatePartner-zertifiziert‘. Doch kann Klimaschutz aktuell auch durch die Reduktion von Emissionen allein funktionieren? Kann eine Finanzierung von Klimaschutzprojekten allein ausreichen, um im Klimaschutz schnell genug voranzukommen? Die Antwort ist eindeutig: Auch wenn jeder Beitrag für den Klimaschutz zählt, können wir nur die nötige Geschwindigkeit erreichen, wenn wir verschiedene Maßnahmen gleichzeitig berücksichtigen. Verschiedenes muss Hand in Hand gehen, um die Ziele zu erreichen. Wie dringend eine Finanzierung von Klimaschutzprojekten benötigt wird, machten zuletzt Anfang August die betroffenen Staaten beim Amazonas-Gipfel deutlich: Spitzenvertreter:innen von acht Anrainerstaaten des Amazonas forderten die Industrieländer als größte Verursacher von Treibhausgasemissionen eindringlich dazu auf, mehr zu tun, um die massive Zerstörung des größten Regenwaldes der Welt zu stoppen. Nicht nur für diese Region, sondern generell gilt: Die Unterstützung von Klimaschutzprojekten sollte immer auch in eine sinnvolle Gesamtstrategie zum Klimaschutz integriert werden.
Zu Beginn steht das Ziel, die eigenen Emissionen so weit wie möglich zu reduzieren. Anschließend leisten Klimaschutzprojekte einen weiteren wichtigen Beitrag, um die notwendige Geschwindigkeit der CO2-Einsparungen zu erreichen, indem sie zur Reduktion von Treibhausgasen in der Atmosphäre beitragen.
Dabei gibt es verschiedene Arten von Klimaschutzprojekten. Zum einen gibt es Projekte, die Treibhausgasemissionen verringern, beispielsweise durch den Einsatz von energieeffizienteren Geräten für den Haushalt oder durch den Aufbau erneuerbarer Energieprojekte, also Wind- oder Solarparks. Des Weiteren gibt es Projekte, die Emissionen in natürlichen Senken auffangen. Beispiele hierfür sind Waldschutzprojekte, auch REDD+ Projekte genannt. Außerdem gibt es Projekte, die freigesetzte Treibhausgase direkt aus der Atmosphäre entfernen. Dies kann zum einen naturbasiert durch Aufforstung, Wiederaufforstung oder Rekultivierung geschehen oder mit Hilfe technologiebasierter Lösungen, wie der direkten Abschneidung und Speicherung von Kohlenstoff in der Luft (DACCS).
Anforderungen an Klimaschutzprojekte schaffen Qualität und Transparenz
Werfen wir einen Blick zurück auf die 72.843 Hektar dichten Regenwald in Brasilien – wie kann sichergestellt werden, dass die Klimarechnung von solchen Waldschutzprojekten aufgehen kann? Ein entscheidendes Kriterium ist das Ziel, für die lokale Bevölkerung des Regenwaldes eine so nachhaltige Lebensgrundlage zu schaffen, dass eine Abholzung der Wälder für sie nicht mehr in Frage kommt. In dem oben beschriebenen Fall werden sie in Agroforstwirtschaft geschult, um so Landwirtschaft mit Waldschutz nachhaltig zu vereinen.
Damit eine solche Veränderung langfristig gelingen kann, gibt es feste Kriterien, die Klimaschutzprojekte erfüllen müssen:
- Aspekt der Zusätzlichkeit: Eine der wichtigsten Anforderungen an Klimaschutzprojekte ist, dass es sich um zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen handelt. Und zwar sowohl in finanzieller als auch in ökologischer Hinsicht. Die ökologische Zusätzlichkeit bezieht sich darauf, dass tatsächlich CO2 eingespart werden muss, im Vergleich dazu, dass es das Projekt nicht gäbe. Finanzielle Zusätzlichkeit bedeutet, dass das Klimaschutzprojekt ohne die zusätzliche Finanzierung aus dem Verkauf der verifizierten Emissionsreduktionen (VERs) nicht realisiert worden wäre. Einfach gesagt: Das Projekt ist nur tragbar, weil es die Projektaktivitäten durch den Verkauf der verifizierten Emissionsreduktionen finanzieren kann.
- Keine Doppelzählungen: Es muss sichergestellt werden, dass eine verifizierte Emissionsreduktion (VER) nur einmal ausgegeben wird. Dies wird durch unabhängige Dritte überprüft und in den Registern durch die Stilllegung mit einer eindeutigen ID gewährleistet.
- Dauerhaftigkeit: Klimaschutzprojekte müssen langfristig angelegt und die Projektbetreuung muss entsprechend gewährleistet sein. Grundsätzliches Ziel aller Klimaschutzprojekte ist es, dass sich dieses am Ende der Projektlaufzeit eigenständig tragen kann. Waldschutzprojekte erhalten zudem eine 100-jährige Risikobewertung. Das bedeutet, dass ein Teil der generierten Emissionsreduktionen in einen Buffer Pool eingezahlt werden, für den Fall, dass Risiken wie Brände oder Stürme auftreten. Die Emissionsreduktionen aus dem Buffer dürfen nicht verkauft werden und können stillgelegt werden, falls tatsächlich eine Bedrohung eintritt.
- Unabhängige Überprüfung: Ein umfangreicher Prozess stellt sicher, dass Klimaschutzprojekte vorgegebene Standards erfüllen und durchgängig überwacht und regelmäßig verifiziert werden: So ist festgelegt, dass nur dann verifizierte Emissionsreduktionen ausgegeben werden können, wenn sie von einer unabhängigen, akkreditierten Stelle (Prüfer:innen/Auditor:innen) vorher geprüft worden sind.
Mehr als nur CO2-Redukion
Neben der Senkung von Treibhausgasen in der Erdatmosphäre haben viele Klimaschutzprojekte auch große positive Auswirkungen auf die unterschiedlichen, nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs). Sie sind somit mehr als reine Reduktionsmaßnahmen und sorgen dafür, dass weltweit Innovationen vorangetrieben und Technologien verbreitet werden. Es werden Arbeitsplätze und Infrastruktur geschaffen, die Gesundheit der Bevölkerung verbessert oder wertvolle Biodiversität erhalten.
Hohe Komplexität lässt Klimaschutzprojekte dennoch in Kritik geraten
Die Berechnung des Ausgangsszenarios (Baseline) von Klimaschutzprojekten zum Nachweis der Zusätzlichkeit ist je nach Projekttyp teils komplex. Genau diese Komplexität hat in den vergangenen Jahren zu Kritikanfälligkeit geführt. Vor allem die so genannten REDD+-Projekte sind dabei häufig in Kritik geraten. Gleichzeitig kommt gerade diesen Waldschutzprojekten eine immense Bedeutung für den Klimaschutz zu, da es sich bei diesen Wäldern um die größten CO2-Speicher der Erde handelt. Der wissenschaftliche Diskurs, der durch diese Kritik angestoßen wird, ist enorm wichtig. Denn klar ist: Die aktuellen Methoden zur Berechnung der Wirksamkeit von solchen Klimaschutzprojekten sind nicht immer perfekt und müssen stetig weiterentwickelt werden. Der wissenschaftliche Diskurs gibt sowohl den Projektbetreibern, den Standards, aber auch der Gesetzgebung die Möglichkeit, ihre Regeln immer weiter zu verbessern und nachzuschärfen. Und genau das sollte auch bei der medialen Kritik berücksichtigt werden. Die öffentliche Kritik darf nicht dazu führen, dass Unternehmen ihr Engagement im Klimaschutz stoppen oder aufhören, darüber zu sprechen (siehe Artikel zu Green Hushing). Dies kann mit Blick auf die Wichtigkeit von ganzheitlichen Klimaschutzstrategien keine Alternative sein.
Regionalität – Warum spielt sie beim Ausgleich von Emissionen keine Rolle?
Treibhausgase verteilen sich gleichmäßig in der Erdatmosphäre, daher ist es für Klimaschutzmaßnahmen nicht relevant, an welchem Ort Emissionen eingespart werden. Doch warum gibt es in Deutschland bisher keine zertifizierten Klimaschutzprojekte? Das liegt daran, dass in den meisten Projekten weder der Aspekt der finanziellen noch der ökologischen Zusätzlichkeit nachgewiesen werden könnte. Im Bereich Waldschutz berechnet die Bundeswaldinventur beispielsweise die gesamte CO2-Einsparung aller Bäume und erfasst sie in der nationalen Treibhausgasinventur. Würden Firmen diese Emissionsreduktionen durch ein Klimaschutzprojekt in Deutschland ebenfalls anrechnen, würden sie doppelt gezählt werden und wären damit nicht gültig. Während CO2-Emissionen keine Grenzen kennen, findet die Berechnung von Einsparungen innerhalb der Ländergrenzen statt.
Wer dennoch gerne regional zum Klima- und Naturschutz beitragen möchte, kann dies mit Hilfe von Projekten in Deutschland beziehungsweise Europa realisieren. Unternehmen können beispielsweise Bäume mit der Unterstützung von ClimatePartner pflanzen oder Naturschutzprojekte fördern. Dies kann jedoch nicht auf die CO2-Bilanz eines Unternehmens angerechnet werden und Unternehmen erhalten für die Kommunikation ihres lokalen Engagements kein Label. Mit Kombiprojekten können Unternehmen aber gleich doppelt Gutes für das Klima tun: Internationale, zertifizierte Klimaschutzprojekte finanziell unterstützen und mit einem Projekt in Deutschland Natur, Umwelt und Klima on top fördern – ganz regional.
Wirksamkeit von Klimaschutzprojekten – Nachweis durch internationale Standards
Grundlage aller Klimaschutzprojekte sind internationale Standards, wie beispielsweise der Verified Carbon Standard (VCS) oder der Gold Standard. Diese Standards legen die Regeln und Anforderungen fest, die alle Klimaschutzprojekte erfüllen müssen, um als nachweisliche Methode zur Reduktion von CO2-Emissionen anerkannt zu werden. Damit stellen Standards die Vergleichbarkeit von verifizierten Emissionsreduktionen sicher – sowohl am freiwilligen (Voluntary Carbon Market VCM) wie auch am verpflichtenden CO2-Markt.
Standards begleiten die Projekte über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Möchten Projektentwickler:innen ein Klimaschutzprojekt realisieren, muss dazu ein so genanntes Project Design Document (PDD) erstellt werden. Dieses PDD ist eine Projektbeschreibung und lässt sich mit einem Businessplan vergleichen. Dies ist unter anderem eine Voraussetzung, um sich nach erfolgreicher Validierung durch unabhängige Dritte initial im Register eines Standards eintragen zu lassen. Standards sind entscheidend in der Absicherung der Wirksamkeit von Klimaschutzprojekten. Sie helfen bei aller Komplexität dabei, zu beurteilen, ob die Projekte eine effektive Methode zur Einsparung von CO2-Emissionen darstellen.
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es
Ein kritischer Diskurs über Klimaschutzengagement und die dazugehörigen Elemente ist wertvoll und bringt wissenschaftliche Bemühungen voran, sich intensiv mit dem Thema auseinander zu setzen. Doch so einfach, wie das Thema häufig in der Kritik dargestellt wird, ist es nicht. „Solange es nicht mehr Regulierungen seitens der Politik gibt, braucht es ein freiwilliges Engagement von Unternehmen. Anders werden wir die Klimaziele niemals erreichen. Damit stellt freiwilliges Engagement in meinen Augen immer einen Mehrwert dar. In konstruktiver Kritik sollte dieser Aspekt nicht vernachlässigt werden. Denn im schlimmsten Fall führt die Kritik dazu, dass Unternehmen ihre freiwilligen Bemühungen ganz einstellen“, so Moritz Lehmkuhl.
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