Klimaschutz: Mit gebündelten Kräften zum Ziel
25. Juli 202372.843 Hektar dichter Regenwald in Brasilien - das Gebiet im Bundesstaat Rondônia dient als Hüter der biologischen Vielfalt der Region und ist eines unter vielen Projekten, mit dessen Finanzierung Unternehmen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Doch geht die Rechnung auf? Nicht selten wird Kritik laut, es handle sich um "Greenwashing" oder einen "Ablasshandel". Die Vorwürfe dahinter beziehen sich vor allem auf Strategien, in denen sich Unternehmen einzig auf einen finanziellen Beitrag zum Klimaschutz fokussieren und nicht daran arbeiten, eigene Emissionen zu reduzieren . Dass diese Herangehensweise verbesserungswürdig ist, wurde längst erkannt. Sowohl der wissenschaftliche Diskurs als auch die Weiterentwicklung von Lösungen für das freiwillige Klimaschutzengagement von Unternehmen spiegeln, dass sich viel getan hat und dem Entwicklungsbedarf bereits Rechnung getragen wurde. In Konsequenz hat das Thema jedoch auch an Komplexität gewonnen. Deshalb geben wir Einblicke in das Thema und beantworten dabei unter anderem folgende Fragen:
- Gerechtfertigt oder nicht? Was ist dran an der Kritik von Klimaschutzprojekten?
- Welchen Beitrag leisten Klimaschutzprojekte zum 1,5 Grad Ziel?
- Wie können wir die Wirksamkeit von Klimaschutzprojekten nachweisen?
- Welche Schritte sind notwendig, um den Klimaschutz mit Geschwindigkeit voranzubringen?
“Für den Schutz unseres Klimas sind wir noch immer auf das freiwillige Engagement von Unternehmen angewiesen. Selbst die im Pariser Abkommen vereinbarten Verpflichtungen tragen nicht ausreichend zum 1,5°C Ziel bei. Das (freiwillige) Handeln im Klimaschutz von Unternehmen ist damit unerlässlich! Doch in letzter Zeit wurden genau diese freiwilligen Handlungen von Unternehmen vor allem dem Vorwurf des Greenwashings ausgesetzt. Diese Vorwürfe dürfen jedoch nicht dazu führen, dass Unternehmen ihre Maßnahmen stoppen. Denn ‘nichts tun’ kann auf keinen Fall eine Alternative sein”, sagt Moritz Lehmkuhl, Gründer und CEO von ClimatePartner.
Hand in Hand: Nur eine ganzheitliche Klimaschutzstrategie bringt die erforderliche Geschwindigkeit
Einen finanziellen Beitrag zum Klimaschutz leisten und weitermachen wie bisher? Längst wurde erkannt, dass dies nicht ausreicht. Die Reduktion von Emissionen hat deshalb an Bedeutung gewonnen und ist daher wichtiger Bestandteil ganzheitlicher Klimastrategien. So ist die Reduktion von Emissionen seit April 2023 auch bei ClimatePartner ein verpflichtendes Kriterium für den Erhalt des Labels ClimatePartner zertifiziert. Doch funktioniert Klimaschutz überhaupt durch Reduktion allein? Kommen wir ohne Finanzierung von Klimaschutzprojekten schnell genug voran? Die Antwort ist eindeutig: Keine der Maßnahmen reicht für sich genommen aus, um die Geschwindigkeit zu erreichen, die wir benötigen. Beides muss Hand in Hand gehen, um die Ziele zu erreichen. Die Förderung von Klimaschutzprojekten sollte in eine sinnvolle Gesamtstrategie integriert werden. Zu Beginn steht das Ziel, die eigenen Emissionen so weit wie möglich zu reduzieren. Klimaschutzprojekte leisten einen weiteren wichtigen Beitrag, um die notwendige Geschwindigkeit der CO2 Einsparungen zu erreichen, indem sie zur Reduktion von Treibhausgasen in der Atmosphäre beitragen.
Dabei gibt es drei verschiedene Arten von Klimaschutzprojekten. Zum einen gibt es Projekte, die mit Hilfe von energieeffizienteren Geräten für den Haushalt, beispielsweise effizientere Kochöfen oder erneuerbare Energieprojekte wie Wind- oder Solarenergie Treibhausgasemissionen verringern. Des Weiteren gibt es Projekte, die Emissionen vermeiden. Beispiele hierfür sind Waldschutzprojekte, auch REDD+ Projekte genannt. Außerdem gibt es Projekte, die freigesetzte Treibhausgase aus der Atmosphäre entfernen und auffangen. Dies kann zum einen naturbasiert durch Aufforstung, Wiederaufforstung oder Rekultivierung geschehen oder mit Hilfe technologiebasierter Lösungen wie der direkten Abschneidung und Speicherung von Kohlenstoff in der Luft (DACCS).
Anforderungen an Klimaschutzprojekte schaffen Qualität und Transparenz
- Aspekt der Zusätzlichkeit : Eine der wichtigsten Anforderungen an Klimaschutzprojekte ist, dass es sich um zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen handelt. Und zwar sowohl in finanzieller als auch in ökologischer Hinsicht. Finanzielle Zusätzlichkeit bedeutet, dass das Klimaschutzprojekt ohne die zusätzliche Finanzierung durch CO₂-Zertifikate nicht realisiert worden wäre. Einfach gesagt: das Projekt existiert nur, weil es auch über CO₂-Zertifikate finanziert wird. Ökologische Zusätzlichkeit bezieht sich darauf, dass tatsächlich CO₂ eingespart werden muss im Vergleich dazu, dass es das Projekt nicht gäbe.
- Keine Doppelzählungen zulässig: Bei Klimaschutzprojekten muss systemisch ausgeschlossen werden, dass eine VER (Verified Emission Reduction) nicht mehrfach verkauft wird. Doppelzählungen würden beispielsweise dann entstehen, wenn sowohl das Land, in dem ein Klimaschutzprojekt umgesetzt wurde als auch ein Unternehmen, das Ausgleichszertifikate aus dem Projekt kauft, die CO2-Minderungen für sich beanspruchen.
- Dauerhaftigkeit: Klimaschutzprojekte, die der Kompensation dienen, müssen langfristig angelegt sein, und die Projektbetreuung muss entsprechend gewährleistet sein.
- Unabhängige Überprüfung von Klimaschutzprojekten: Ein umfangreicher Prozess stellt sicher, dass Klimaschutzprojekte vorgegebene Standards erfüllen und durchgängig überwacht und regelmäßig verifiziert werden: So ist festgelegt, dass nur dann verifizierte Emissionsreduktionen ausgegeben werden können, wenn sie von einer unabhängigen akkreditierten Stelle (Prüfer/Auditoren) vorher geprüft worden sind.
Mehr als nur CO2-Einsparung: Neben der Senkung von Treibhausgasen in der Erdatmosphäre, haben Klimaschutzprojekte auch große positive Auswirkungen auf die lokale Entwicklung und die nachhaltigen Entwicklungsziele der UN (SDGs). Sie sind somit mehr als reine Einsparungsmaßnahmen und sorgen dafür, dass weltweit Innovationen vorangetrieben und Technologien verbreitet werden. Es werden Arbeitsplätze und Infrastruktur geschaffen, die Gesundheit der Bevölkerung verbessert oder Biodiversität erhalten.
Hohe Komplexität lässt Klimaschutzprojekte dennoch in Kritik geraten
Die Berechnung des Ausgangsszenarios (Baseline) von Klimaschutzprojekten zum Nachweis der Zusätzlichkeit ist komplex . Genau diese Komplexität hat in den vergangenen Jahren zu Kritikanfälligkeit geführt. Vor allem die so genannten REDD+ Projekte sind dabei häufig in Kritik geraten, da auch das Ausmaß der Bedrohung auf Annahmen basiert. Gleichzeitig kommt ihnen als größter CO2-Speicher der Erde eine immense Bedeutung für den Klimaschutz zu. Der wissenschaftliche Diskurs, der durch diese Kritik angestoßen wird, ist enorm wichtig. Er gibt sowohl den Projektbetreibern, den Standards aber auch der Gesetzgebung die Möglichkeit, ihre Regeln immer weiter zu verbessern und nachzuschärfen. Öffentliche Kritik darf jedoch nicht dazu führen, dass Unternehmen ihr Engagement im Klimaschutz stoppen oder aufhören, darüber zu sprechen (Green-Hushing; Link zum Artikel). Dies kann keine Alternative sein. Die Transparenz über den Wertbeitrag der Klimaschutzprojekte stellt damit eines der entscheidendsten Kriterien dar.
Regionalität - Warum spielt sie bei Klimaschutzprojekten keine Rolle?
Treibhausgase verteilen sich gleichmäßig in der Erdatmosphäre, daher ist es für Klimaschutzmaßnahmen nicht relevant, an welchem Ort Emissionen eingespart werden. Doch warum gibt es in Deutschland keine zertifizierten Klimaschutzprojekte? Das liegt daran, dass in den meisten Projekten weder der Aspekt der finanziellen, noch der ökologischen Zusätzlichkeit vorliegt. Im Bereich Waldschutz berechnet die Bundeswaldinventur beispielsweise die gesamte CO2-Einsparung aller Bäisume und erfasst sie zur Verbesserung der nationalen Treibhausgasinventur. Würden Firmen diese Emissionseinsparungen durch ein Klimaschutzprojekt in Deutschland ebenfalls anrechnen, würden sie doppelt gezählt werden und wären damit nicht gültig. Während CO2-Emissionen keine Grenzen kennen, findet die Berechnung von Einsparungen dennoch innerhalb der Ländergrenzen statt.
Wer dennoch gerne regional etwas zum Klimaschutz beitragen möchte, kann dies mit Hilfe von Projekten in Deutschland realisieren. Unternehmen können beispielsweise Bäume mit der Unterstützung von ClimatePartner pflanzen oder Naturschutzprojekte unterstützen. Dies kann jedoch nicht auf die CO2 -Bilanz eines Unternehmens angerechnet werden und Unternehmen erhalten für die Kommunikation ihres lokalen Engagements kein Label. In Kombination mit einem internationalen, zertifizierten Klimaschutzprojekt darf das Klimaschutzengagement zum Ausgleich der Emissionen genutzt werden. Diese werden jedoch nur mit Kombinationsprojekten beispielsweise in Brasilien für die eigene CO2-Rechnung anerkannt.
Wirksamkeit von Klimaschutzprojekten – Nachweis durch internationale Standards
Grundlage aller Klimaschutzprojekte sind internationale Standards, wie beispielsweise der Verified Carbon Standard (VCS), der Gold Standard und der Clean Development Mechanism (CDM). Diese Standards legen die Regeln und Anforderungen fest, die alle Klimaschutzprojekte erfüllen müssen, um als nachweisliche Methode zur Minderung von CO2-Emissionen anerkannt zu werden. Damit stellen Standards die Vergleichbarkeit von verifizierten Emissionsreduktionen sicher – sowohl am freiwilligen (Voluntary Carbon Market VCM), wie auch am verpflichtenden CO2-Markt.
Standards begleiten die Projekte von Anfang an und über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Möchte ein Projektentwickler ein Klimaschutzprojekt realisieren, muss er dazu ein so genanntes Project Design Document (PDD) erstellen. Dieses PDD ist eine Projektbeschreibung und lässt sich mit einem Business Plan vergleichen. Es ist Voraussetzung dafür, um sich nach erfolgreicher Validierung durch unabhängige Dritte initial im Register eines Standards eintragen zu lassen. “Standards sind entscheidend in der Absicherung der Wirksamkeit von Klimaschutzprojekten. Sie helfen uns bei aller Komplexität dabei, zu beurteilen, ob die Projekte eine effektive Methode zur Einsparung von CO2-Emissionen darstellen”, sagt Moritz Lehmkuhl.
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es
Ein kritischer Diskurs über Klimaschutzengagement und die dazugehörigen Elemente ist wertvoll und bringt wissenschaftliche Bemühungen voran, sich intensiv mit dem Thema auseinander zu setzen. Doch so einfach, wie das Thema häufig in der Kritik dargestellt wird ist es nicht. “Solange es nicht mehr Regulierungen seitens der Politik gibt, braucht es ein freiwilliges Engagement von Unternehmen. Anders werden wir die Klimaziele niemals erreichen. Damit stellt freiwilliges Engagement in meinen Augen immer einen Mehrwert dar. In konstruktiver Kritik sollte dieser Aspekt nicht vernachlässigt werden. Denn im schlimmsten Fall führt die Kritik dazu, dass Unternehmen ihre freiwilligen Bemühungen ganz einstellen”, so Moritz Lehmkuhl.
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