Studienanalyse von West et al. (2020): "Overstated carbon emission reductions from voluntary REDD+ projects in the Brazilian Amazon"

1. Februar 2023

Im Zuge der Vorwürfe von The Guardian und DIE ZEIT gegen Verra-zertifizierte Waldschutzprojekte und den REDD+-Mechanismus hat ClimatePartner die zitierten Quellen einer detaillierten Analyse unterzogen. Diese Seite widmet sich der Studie von West et al. (2020). ​ ​

Weitere von ClimatePartner geprüfte Studien sind Guizar-Coutiño et al. (2022) und West et al. (2023). ​ ​

Eine zusammenfassende Bewertung der Studien sowie Links zu Stellungnahmen anderer Marktteilnehmer finden Sie hier.


Authoren: Thales A.P. West, Jan Börner, Erin O. Sills, Andreas Kontoleon

Details zur Veröffentlichung:September 2020​,  “Proceedings of the National Academy of Sciences” Band 117, Ausgabe 39

Die Methode von West et al. (2020):

  • Zur Festlegung der kontrafaktischen Werte und zur Bewertung der Verringerung des Waldverlustes wird eine synthetische Kontrollmethode verwendet. Diese Methode wird durch einen systematischen Vergleich der Entwaldungs-Basiswerte (ex-ante) mit der kontrafaktischen Entwaldung (ex-post) angewandt.
     
  • Die in dieser Studie angewandte synthetische Kontrollmethode verwendet biophysikalische Daten, um Vergleichsgebiete zu ermitteln und konstruiert dann kontrafaktische Daten auf der Grundlage ähnlicher biophysikalischer Merkmale in den Projektgebieten. Dies bedeutet, dass die Vergleichsgebiete aktuelle Ursachen der Entwaldung berücksichtigen können.​
     
  • ​Für die Ausarbeitung synthetischer Kontrollen werden georeferenzierte Gebietsgrenzen (aus dem brasilianischen Umweltregister für den ländlichen Raum) verwendet. ​
     
  • ​Die Studie bezieht sich auf 12 VCS REDD+-Projekte im brasilianischen Amazonasgebiet aus den Jahren 2008 bis 2017.

Von West et al. (2020) analysierte Projekte

12 Projekte wurden analysiert, davon sind 4 im ClimatePartner Portfolio.

Die fett gedruckten Projekte sind oder waren Teil des Portfolios von ClimatePartner.

* Für diese Projekte konnten keine endgültigen Schlussfolgerungen gezogen werden, da die in den Studien verwendeten Rohdaten nicht zugänglich sind. Es können nur die in dem Papier veröffentlichten Grafiken eingesehen werden. Daraus lässt sich nur ersehen, dass diese Projekte manchmal besser und manchmal schlechter abschnitten als ihr Vergleichsgebiet. Da in der Studie kein Durchschnittswert genannt wird, sind sie gelb und als "unclear results" gekennzeichnet.


Hauptaussagen von West et al. (2020)

  • Die Studie findet keine signifikanten Belege dafür, dass REDD+-Projekte den Waldverlust minimieren und keine systematischen Belege dafür, dass die geforderten Kompensationen zusätzliche Reduktionen darstellen.
     
  • Bei drei Projekten (Maísa, Florestal Santa Maria und Manoa) könnte es zu einer Verlagerung der Abholzung in benachbarte Gebiete gekommen sein (Leakage). ​
     
  • ​Die Studie stellt die Kompensationen in Frage, welche auf Grundlage von kontrafaktischen Abholzungstendenzen, die auf der Fortsetzung historischer Trends basieren, berechnet wurden (die Studie verwendet biophysikalische Daten).
     
  • Die Autoren weisen darauf hin, dass der derzeitige Ansatz zur Messung der Zusätzlichkeit überdacht werden muss, da ihre Ergebnisse zeigen, dass die Verwendung historischer Daten nur begrenzt möglich ist.
     
  • ​In der Studie wird vorgeschlagen, dass regelmäßige Aktualisierungen der Ausgangsbasis auf der Grundlage der jüngsten Entwaldungstrends dazu beitragen könnten, die derzeitigen Unzulänglichkeiten zu verringern. Verra schreibt dies derzeit spätestens alle 10 Jahre vor. West et al. argumentieren, dass dies häufiger geschehen sollte. Die Aktualisierung der Ausgangsbasis könnte auf der Grundlage von Kontrollgebieten erfolgen, die ähnliche Merkmale wie das Projekt aufweisen.
     
  • In der Studie werden folgende mögliche Gründe für die begrenzte Wirkung der Projekte genannt:​
    • Die Projekte setzen nicht die wirksamsten Maßnahmen ein, um ihre Ziele zu erreichen
    • Schwierigkeiten bei der Umsetzung und Durchführung der geplanten Aktivitäten vor Ort
    • Herausforderungen bei der Vermarktung von Kohlenstoffkompensationen und entsprechend begrenzte Einnahmen für Aktivitäten

Einschränkungen der Studie, festgestellt von West et al. (2020)

  • West et al. räumen ein, dass die synthetischen Kontrollen in Bezug auf Größe, Zugänglichkeit und biophysikalische Merkmale nicht perfekt mit den REDD+-Projektgebieten übereinstimmen und möglicherweise nicht alle relevanten strukturellen Faktoren der Entwaldung berücksichtigt haben.
     
  • Die Autoren weisen auch darauf hin, dass der Analysezeitraum der Projektlaufzeit möglicherweise nicht lang genug war, um in einigen Fällen signifikante Auswirkungen zu beobachten.
     
  • Die im öffentlichen Verra-Register verfügbaren Shapefiles stimmten nicht immer mit der tatsächlichen Projektgrenze überein.

Überprüfung der Aussagen von West et al. (2020) sowie West et al. (2023) durch Verra

Verra hält die Studien von West et al. (2020) und West et al. (2023) für "offenkundig unzuverlässig" und weist auf eine Reihe von Mängeln in ihren Methoden hin:

  • Nichtberücksichtigung von Schlüsselfaktoren der Entwaldung: Keine Berücksichtigung der Kriterien Waldtyp, Geografie, wirtschaftliche Aktivitäten, landwirtschaftliche Praktiken und andere sozioökonomische Faktoren
     
  • Vergleich der Projekte mit wahrscheinlich ungeeigneten Referenzgebieten: Auswahl von Gebieten, in denen die Gefahr der Entwaldung nicht oder nur sehr gering ist
     
  • Unzureichende Anzahl von Vergleichsgebieten: Die geringe Stichprobengröße der Vergleichsflächen führt zu einer größeren Ungenauigkeit der Ergebnisse
     
  • Verwendung von ungeeigneten Datensätzen: Die in beiden Studien verwendeten Datensätze wurden entweder für zu grob befunden (2020) oder sie stützen sich auf Datensätze, die bekanntermaßen für diese Art von Analyse ungeeignet sind, ohne dass zusätzliche Landnutzungsdatensätze berücksichtigt werden (2023).

Ergänzende Anmerkungen von ClimatePartner

  • Die synthetische Kontrollmethode ignoriert die einzigartigen Umstände eines jeden REDD+-Projekts.
     
  • Die synthetischen Kontrollen (definierte Kontrollgebiete) befinden sich häufig in einer anderen Region des Landes als das Projektgebiet. Durch die räumliche Entfernung der synthetischen Daten werden die Auswirkungen der lokalen Entwaldungsfaktoren eliminiert. ​
     
  • Die von den Autoren verwendeten biophysikalischen Datensätze sind entweder nicht granular genug, nicht genau genug, bieten keine gute zeitliche Abdeckung oder sind nicht standortspezifisch, um die tatsächlichen lokalen Gegebenheiten abzubilden, was für eine detaillierte Bewertung jedoch erforderlich ist. Einige der in dieser Studie verwendeten Daten (z. B. PRODES, TerraClass, MapBiomass) liefern zudem keine Daten auf jährlicher Basis oder mit ausreichender Genauigkeit.